Für alle Sylter und für die Menschen, die vor Krieg, Terror und Vertreibung auf unsere Insel geflohen sind, wurde im Juli 2022 die Ankerstube eröffnet: Eine internationale Begegnungsstätte für Groß und Klein. Mitten in der Westerländer Strandstraße. Die Initiative dazu ging von dem Westerländer Kaufmann Henrik Simonsen und dessen Frau Dr. Hannah Richter-Simonsen aus. Letztlich ist es ein Gemeinschaftsprojekt geworden, an dem neben unserem Verein mit vielen tatkräftigen Ehrenamtlichen auch der DeHoGa Sylt und die Sylter Unternehmer, die mit uns im März 2022 einen Hilfsfonds für Ukraine-Flüchtlinge gegründet haben, beteiligt sind.
Warum ist so ein Anlaufpunkt so wichtig? Ein Blick in die Tagespresse gibt Antwort: Explosionen in der Zentralukraine! Selbstmordanschlag auf ein Bildungszentrum in Kabul! Raketen auf ein Flüchtlingscamp… Für die einen sind das Schreckensmeldungen aus Gegenden, von denen sie nur knapp wissen, wo sie diese auf der Weltkarte suchen sollten. Beispielsweise für Kateryna, Tanya und Victoria sind es Nachrichten von zuhause. Von Orten, an denen sie gewohnt, gearbeitet, ihre Kinder zur Schule geschickt, vielleicht alte Eltern versorgt oder sich auf den nächsten Feiertag gefreut haben.
In der Ankerstube gibt es ein offenes Ohr und einen Kaffee für jedermann. Unser Verein hat aus dem Kreis der Geflüchteten und der Ehrenamtler drei mehrsprachige Frauen auf geringfügiger Basis angestellt, die beim Ausfüllen von Behördenanträgen und Versicherungsunterlagen helfen. Es gibt eine Spielecke mit gespendeten Legosteinen, Puppenwagen und Bilderbüchern, eine Kleiderecke und zwischendurch füllen Aktionen wie das Laternenbasteln oder eine Aufkleber-Tauschbörse den Raum mit Leben und einem Stimmengewirr aus Deutsch, Arabisch, Dänisch, Ukrainisch, Farsi und natürlich Händen und Füßen.
Zwischen den gespendeten Caféhaustischen und Stühlen kurven Kleinkinder mit Puppenwagen herum. Es wird in Bilderbüchern gestöbert, gemalt, Laternen wurden hier schon gebastelt und in den Herbstferien erfreute sich eine Aufkleber-Tauschbörse großer Beliebtheit. Währenddessen unterstützen zwei bei unserem Verein angestellte Helferinnen die erwachsenen Besucher beim Ausfüllen von Anträgen und Formularen.
Die Ukrainerinnen und ihre Kinder gehören zu den 197 Geflohenen, die zurzeit auf Sylt registriert sind.
Für sie und explizit für alle Einheimischen, die sich Hilfe wünschen, wurde Anfang Juli die ehemalige Nordsee-Apotheke in der Innenstadt zur internationalen Begegnungsstätte „Ankerstube“ umgestaltet. Die Idee hatten der gebürtige Däne und Westerländer Ladeninhaber Henrik Simonsen und seine Frau Dr. Hanna Richter-Simonsen im Frühjahr. Er erzählt: „Als neben unserem Geschäft die Apotheke frei wurde, haben wir sie gekauft und wollten erstmal für ein Jahr vermieten. Aber dann kam der Krieg und die Nachrichten wurden jeden Tag schlimmer. Da habe ich gesagt, wir müssen helfen. Warum nicht den neuen Laden bereitstellen und ein Gemeinschaftsprojekt starten? Mit allen Leuten auf der Insel, die helfen wollen, für alle Leute, die Hilfe haben möchten. Von allen für alle.“
Mit Unterstützung der Gemeinde, den Sylter Unternehmern (SU), Dehoga, dem Förderverein Gesucht-Gefunden-Sylt (GGS) und vielen ehrenamtlichen Helfern wurde der Laden ausgeräumt, ein einfacher Teppich verlegt, gespendete Tische und Stühle aufgestellt, Kaffeeküche und Spielecke eingerichtet… In den Tagen vor der Eröffnung sortierten Freiwillige, unten ihnen auch die fünf Ukrainerinnen, und die gemeindliche Ehrenamtskoordinatorin Ulrike Körbs, Kleiderspenden, Bettwäsche und Kinderbedarf in die übrig gebliebenen Apothekenregale. GGS-Vorstandsmitglied Heike Kulk zeigte auf die gut gefüllten Borde: „Für Kinder bis etwa zwölf Jahren, besonders für Babys und Kleinkinder, haben wir viele sehr gut erhaltene Sachen. Das ist sicher auch für schwangere Sylterinnen interessant, die vielleicht etwas knapp bei Kasse sind. Leider haben manche Leute die Sammlung aber benutzt, um uns die Entsorgung ausgelatschter Turnschuhe oder kaputter, dreckiger Sachen aufs Auge zu drücken. Die mussten wir natürlich aussortieren.“ Auch deshalb bitten die Ehrenamtlichen darum, erstmal keine weiteren Sachspenden abzuliefern: „Wenn wir noch etwas brauchen, fragen wir gezielt über unsere GGS-Facebookgruppe danach. Die Hilfsbereitschaft ist da immer enorm.“
Neben der Ausgabe kostenloser Kleidung sind Sprachkurse, psychologische Beratung, Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen und kleine Aktivitäten für Kinder in Vorbereitung. Für deren Koordination hat Richter-Simonsen die Facebook-Seite „Ankerstube“ angelegt: „Da stelle ich alle Angebote und Termine ein. Facebook übersetzt das automatisch in jede Sprache.“ Körbs ergänzt: „Wir haben erstmal zwei Stunden vor- und zwei Stunden nachmittags geöffnet. Währenddessen müssen natürlich immer zwei Leute hier sein, die den Hut auf haben. Wer Lust hat, dabei mitzumachen, kann sich gern bei mir melden. Wir würden uns über zusätzliche, ehrenamtliche Unterstützung sehr freuen.“
Zu finden ist die Ankerstube in der Strandstraße 22 in Westerland.
Öffnungszeiten: Mo – Fr. 9 – 11 und 16 – 18 Uhr, Sa. 9 – 11 Uhr